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Der Kreis schliesst sich in Baltimore

Danke Nanuq − Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von Pat und nehmen denn Weg nach Baltimore unter die Räder. Als wir bei unserem Broker für die Verschiffung vorbeischauen, hat dieser eine unangenehme Nachricht für uns. Steve teilt uns mit, dass der Hafen von Baltimore morgen Freitag geschlossen bleibt. Wir müssen Nanuq deshalb unbedingt noch heute abliefern. Vor dem Hotel fangen wir sofort an, das Auto zu räumen und unser Hab und Gut in die grossen Rolltaschen zu packen. Die Metallkiste mit den Ersatzteilen, die Truhe aus Albuquerque und ein paar weitere Sachen, die keinen Platz im Reisegepäck haben, lassen wir im Auto zurück. Damit sie nicht sofort ersichtlich sind, legen wir eine Decke darüber. Danach fahren wir zum Hafen, wo wir uns wieder im selben Büro wie damals bei der Einfuhr melden müssen. Wir sind erstaunt, als der Beamte unser Dossier mit einem einzigen, gezielten Griff in die Schublade auf den Tisch zaubert. Vor einem Jahr hatten wir noch den Eindruck, dass hier alles ein bisschen chaotisch und unorganisiert vonstatten geht. Wir haben uns deshalb auch gefragt, ob es den Behörden überhaupt auffallen würde, wenn wir Nanuq nicht fristgemäss nach einem Jahr ausführen würden. Jetzt sind wir froh, dass wir es nicht darauf haben ankommen lassen.

Nachdem der administrative Teil erledigt ist, kommt der schwere Abschied von Nanuq. Es fliessen Tränen. Wir waren eine kleine Familie und nun müssen wir unser «Kind» alleine zurück lassen. Was haben wir nicht alles zusammen erlebt und nun soll also alles vorbei sein? Es stimmt halt doch... jeder schöne Traum geht irgendwann zu Ende. Der Schmerz ist riesengross und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir auch mit einem lachenden Auge auf unsere Reise zurückschauen können. Im Moment bricht zumindest für Lulu eine Welt zusammen. Sie will es nicht wahrhaben, dass unser Abenteuer vorbei ist. Im Gegensatz zu Markus kann sie dabei auch der Gedanke an ein baldiges Wiedersehen mit Freunden und Familie nicht trösten.

Eine letzte Umarmung für Nanuq und dann reissen wir uns los. Gute Reise Nanuq und vielen Dank für die treuen Dienste! Falls alles klappt, werden wir ihn in drei bis vier Wochen in Bremerhaven wiedersehen.

 

Kinderüberraschung − Ein übelgelaunter Taxifahrer (oder war es eine Fahrerin... wir sind uns nicht sicher) bringt uns zurück zum Hotel. Sein/Ihr ständiges «fuck, fuck, fuck» entspricht ziemlich genau unserem momentanen Gefühlszustand. Da kann eigentlich nur noch ein Gang ins Ruby Tuesday helfen, welches gleich neben unserem Hotel liegt. Es ist jenes Lokal, wo wir ganz am Anfang unserer Reise mit Doug, der uns bei unserem Missgeschick mit dem leeren Tank zu Hilfe geeilt ist, gegessen haben. Dass unser Hotel gleich um die Ecke liegt, haben wir bei der Buchung des Zimmers nicht gewusst. Wir haben nämlich einen (für uns) neuen Internetdienst ausprobiert. Auf hotwire.com erfährt man erst nach Reservationsabschluss, welches Hotel man gebucht hat. Im Vorfeld gibt man bloss die ungefähre Gegend an, in der man wohnen möchte. Das ist echt witzig und spannend. Für uns ist der Deal auf der ganzen Linie aufgegangen. Das Hotel ist gediegen und die Lage perfekt.

Das Salatbuffet und die Southwestern Springrolls des Ruby Tuesday tun ein Übriges und stimmen uns versöhnlich. Der Kreis hat sich geschlossen.

 

Packen − Die nächsten beide Tage verbringen wir im und rund ums Hotel. Ohne Nanuq ist unser Bewegungsradius extrem eingeschränkt. Wir packen unsere Taschen und Tramper zig mal aus und ein, arbeiten an der Homepage und telefonieren in die Schweiz. Am Freitag Abend dinnieren wir bei Bob Evans. Das Essen und die Bedienung überzeugen uns jedoch nicht. Selbst für amerikanische Verhältnisse geht hier alles zackig zu und her. Wir sind noch nicht fertig mit dem Essen, als wir ungefragt die Rechnung kriegen und das Teller wird uns weggenommen kaum haben wir den letzten Bissen auf die Gabel geschoben. Nach dieser negativen Erfahrung landen wir am Samstag Aben wieder im Ruby Tuesday. Nach dem Essen gehen wir ins Kino, welches vom Hotel aus ebenfalls zu Fuss erreichbar ist. Der Film «she’s the man» ist zwar nicht sehr hochstehend und zielt wohl eher auf die Teenager im Publikum ab, aber er bietet trotzdem einen unterhaltsamen Abend.

 

Ideen − Am Sonntag, 19. März 2006 holt uns Doug, den wir vor einem Jahr auf dem Pannenstreifen kennengelernt haben, ab und bringt uns zu sich nach Hause. Die letzten paar Tage werden wir bei ihm und seiner Frau Lynn verbringen. Als erstes zeigt er uns natürlich seinen Land Rover. Seinem Interesse an diesem Auto verdanken wir, dass er damals anhielt und uns aus der Patsche half (s. Bericht «Tank leer in Baltimore»). Sein zweites Hobby ist die Bienenzucht. In seinem Garten hinter dem Haus hat er ein paar Bienenstöcke aufgestellt. Wir freuen uns schon jetzt auf feine «Honigschnitteli zum Zmore». Doug stellt aber auch eine Lippenpomade aus Honig her, die an Imkertreffen schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Lulu lässt sich von seiner Begeisterung für die Bienen anstecken und setzt die Bienenzucht auf ihre Liste zukünftiger Projekte.

Nebst Bienen haben Lynn und Doug noch drei weitere Haustiere. Die beiden Katzen unterscheiden sich nur am Schwanz (dünner Schwanz = Daphne, dicker Schwanz = Eli). Der Hund Isis ist nach einer ägyptischen Göttin benannt und sieht aus wie ein Schwarzbär. Ihre Grösse und das tiefschwarze Fell flössen Respekt ein. Doch wir haben Glück, sie akzeptiert uns anstandslos. Das ist nicht bei allen der Fall und diejenigen die sie nicht mag, bekommen es deutlich zu hören. Wer ihr lautstarkes Gebell hört, wagt sich kaum näher.

 

Besser als der Ruf − Nachdem wir uns über das vergangene Jahr ausgetauscht haben, nehmen uns Lynn und Doug mit in die Innenstadt von Baltimore. Sie zeigen uns ein hübsches Beizen-Quartier mit dem Namen «Little Italy». Bis jetzt haben wir über Baltimore eher Negatives gehört. Heruntergekommen und kriminell sind häufige Begriffe, die man mit der Stadt in Verbindung bringt. In «Little Italy» ist davon nichts zu spüren und wir sind positiv überrascht.

 

Gemütlich − Da Doug und Lynn ab Montag wieder arbeiten, sind wir während den nächsten Tagen auf uns alleine gestellt. Wir nutzen die Zeit, um an der Homepage zu arbeiten, nach einem Jahr Wildwuchs Haare zu lassen und die Nachbarschaft zu erkunden. Als wir das erste Mal alleine von einem Spaziergang nach Hause kommen, sind wir gespannt, ob uns Isis wieder ins Haus lässt. Zum Glück erkennt sie uns und wir gelangen unbehelligt durch die Tür. Als später ein Polizeiwagen in unserer Strasse hält, kann sich Isis aber nicht länger zurückhalten. Hinter der verschlossenen Tür lässt sie ihr ohrenbetäubendes Gebell erklingen. Nichts und niemand kann sie beruhigen und wir sind froh, als die Polizei wieder verschwindet. Schlagartig kehrt Ruhe ein und Isis verwandelt sich wieder in den gutmütigen «Schwarzbär», der am liebsten irgendwo am Boden liegt und döst.

Zum Zmittag kaufen wir uns jeweils etwas auf der Strasse (Sandwiches vom Subway oder aus der «Tamilenbude») oder wärmen die Resten vom Vortag auf. Die Abende verbringen wir bei angeregten Gesprächen mit Doug und Lynn. Wir verstehen uns alle vier sehr gut und es ist spannend sich über die gegenseitigen Zukunftspläne auszutauschen. Wer weiss, vielleicht können wir Doug und Lynn das nächste Mal in ihrem Tipi mit Kleinzoo in Vermont besuchen. :-)

Nebst den Diskussionen verbringen wir die gemeinsame Zeit mit Knobelspielen, beim «Amazing Race» gucken und natürlich mit essen. Auf dem Speiseplan stehen unter anderem ein Käsefondue, Quesadillas oder ein Curry beim Thailänder.

 

Präzisionsarbeit − Am Donnerstag nimmt Doug unser Gepäck mit zur Arbeit, um es zu wägen. Bei DHL, einem Kurierdienst, ist man dafür natürlich bestens ausgerüstet. Am Abend erhalten wir grünes Licht. Wir sollten knapp innerhalb der Gewichtslimite liegen.

Wegen unserem grossen Gepäck haben wir uns gegen den Bus und für einen Mietwagen entschieden. Mit diesem fahren wir am Freitag, 24. März 2006 von Baltimore zum JFK Flughafen in New York, von wo aus wir nach Hause fliegen. Der letzte Abschied fällt schwer. Denn wir lassen nicht nur zwei neue Freunde sondern auch unsere Reise zurück. Jetzt ist es endgültig vorbei, wir kehren heim. Es ist zum Heulen. In unserem Innern macht sich Leere breit. Wir setzen uns ins Auto und fahren los. Ein letzter Halt in einem WalMart, eine letzte Packung M&M’s. Wir funktionieren, sind aber mit den Gedanken ganz woanders. Körper und Geist sind uneins. Wir versuchen so oft wie möglich, die Toll Roads auf kleineren Nebenstrassen ohne Strassengebühren zu umgehen. Wir nähern uns New York. Wir halten Ausschau nach der richtigen Ausfahrt zur Autorückgabestelle am Flughafen. Nach einer kleinen Ehrenrunde haben wir es geschafft und fahren bei Hertz vor. Nachdem wir unser Auto abgegeben haben, gehen wir zum Check-In. Unsere beiden grossen Rolltaschen wiegen 31,8 kg und 30 kg und die beiden Tramper 28,5 kg und 19 kg. Damit haben wir unsere Gewichtslimite von jeweils 2 x 32 kg fast vollständig ausgeschöpft.

 

Hoffnung − Nun beginnt das lange Warten. In der Abflughalle und später im Flieger kreisen tausend Gedanken durch unsere Köpfe. Wir hatten eine tolle Zeit, die wir hoffentlich nie vergessen werden und die uns hoffentlich für immer verbindet.